die innenseite von dem irren sein umkleideschränkchen
Donnerstag, 25. Januar 2007
Schienenfahrt 01
Wie schwängert man eine Toilette?

Diese Frage schwirrte ihm im Kopf herum und er wunderte sich noch nicht einmal über die offensichtliche Idiotie dieser Frage. Er wunderte sich über gar nichts mehr. Morgens schon lag sie neben ihm und schlief seelenruhig weiter, während er näher heran rückte, auf der Suche nach ein wenig Zärtlichkeit, vielleicht auch Bestätigung, sie knurrte, drehte sich um, irgendwann stieß sie ihn grob mit den Beinen weg. Lass mich schlafen, er hatte es satt, schon lange, und ging ins Bad, um die Toilette zu schwängern.

Ach, daher kommt dieser bullshit. Das hätte er sich gleich denken können, ein komischer Gedanke. Sein Leben lief auf Schienen, der Tagesablauf war abgesteckt, die Haltepunkte im Fahrplan festgelegt, genauso wie die Zeiten, der Fahrplan musste strikt eingehalten werden, die einzige Abwechslung boten tatsächlich die ab und an eintretenden Verspätungen, immer wieder hoffte er auf ein Unglück, das den Zug, ihn, endlich entgleisen ließ, eine falsch gestellte Weiche hätte ihm auch schon gereicht.

Die Bahn hatte bereits Verspätung, als sie endlich an der Haltestelle vor seiner Haustür ankam. Er ärgerte sich nicht, er bekam es gar nicht mit, denn er hatte sich in ein Buch vertieft, dass er morgens zufällig aus dem Regal geangelt und das ihn unwillkürlich in seinen Bann gezogen hatte. Er stieg ein und suchte sich schnell einen Sitzplatz, er las nicht gern im Stehen. Bevor er sich wieder in sein Buch verkroch, schaute er sich kurz um. Die Bahn war voller als sonst, doch auch dies war nichts besonderes, wenn sie später kam. Er erkannte ein paar vertraute Gesichter und ihm schräg gegenüber sitzend ein noch vertrauteres. Seit drei Jahren fuhr er diese Strecke, immer um dieselbe Uhrzeit und sie, so wie sie da saß, mit dem müden Blick, verträumt auf die vorbei fahrenden Autos schauend, fuhr so wie er an fast jedem Tag zur selben Uhrzeit. Ab und zu lächelten sie sich zu, verschmitzt, dann blickten sie beide verstohlen nach unten oder nach draußen, irgendetwas war zwischen ihnen, nur traute sich keiner von beiden, näher darüber nachzudenken, jeder versteckte sich hinter einer unsichtbaren Wand. Wieder lächelten sie sich an, als sich ihre Blicke zufällig trafen, wieder schauten sie verstohlen weg, als sie einander gewahr wurden, die Bahn fuhr los, ruhig und gleichmäßig rumpelnd, immer weiter auf den blank geriebenen Schienen.

Ein lautes Klingeln zerriß das leise vor sich hin brodelnde Grundrauschen in der Bahn, augenblicklich folgte ein starker Ruck, ein lautes Krachen, dann ging das Licht aus und die Bahn blieb stehen. Stille. Nach kurzer Zeit ging das Licht wieder an, die Leute schauten verängstigt, verärgert, erstaunt, neugierig, der Fahrer erklärte, dass es einen Unfall gegeben habe und die Bahn vorerst nicht weiter fahren könne.

Nachdem er den letzten Satz der Seite durchgelesen hatte, schaute er langsam auf und überlegte, was nun zu tun sei. Er war nicht erregt, nicht verängstigt, im Gegenteil, die Abwechslung war willkommen. Nach kurzer Überlegung packte er seinen Rucksack und stieg aus, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Auf den vor ihm liegenden Unfall schauend, zündete er sich eine Zigarette an und zog genüßlich daran. Nichts großartiges, dachte er, nur Blechschaden. Das war ok, Blut hätte er nicht sehen wollen und er beschloss, noch ein wenig zu warten. Er schaute auf die Bahn und auf die hinter den zerkratzten Scheiben sitzenden Menschen, ein paar saßen noch auf ihren Sitzen und harrten aus. Sie saß auch noch in der Bahn und schaute ihm nun direkt in die Augen. Unwillkürlich musste er lächeln, er wusste gar nicht wieso. Doch, er wusste es, er wollte sie auf ihn aufmerksam machen, ihren Blick weiter auf ihn lenken, er wollte, dass sie ausstieg und ihm Gesellschaft leistete.

Lächelnd erhob sie sich, drückte auf den Knopf, um die Tür zu öffnen und stieg aus der Bahn aus. Sie kam auf ihn zugelaufen, zielstrebig, unerwartet, er erschrak fast ein wenig, sein Herz machte einen kleinen Satz, er hielt sich an seiner Zigarette fest und versuchte, nicht überrascht auszusehen.

"Überrascht?"

Immer noch lächelte sie, plötzlich wirkte alles vertraut, ihre Stimme, ihr Lächeln, gemeinsam gingen sie los, ohne zu wissen wohin, unterhielten sich angeregt, zeitvergessen liefen sie die Straße entlang und bogen schließlich in eine Seitengasse, abseits von den ausgetretenen Pfaden, sie sagte, dort wäre ein wunderbares Café, ein ruhiger Ort, ideal für angeregte Gespräche, er lächelte sie an, sie nahm ihn bei der Hand und gemeinsam verschwanden sie hinter der dunklen Holztür, die leise quietschend hinter ihnen ins Schloss fiel.

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