die innenseite von dem irren sein umkleideschränkchen
Freitag, 24. April 2009
Ein Lob der Einsamkeit
Tür auf, Tür zu. Die Sonne ist schon längst gegangen, ich aber noch nicht, noch ein paar Unterlagen durchsehen und einpacken, im mich herum Stille. Nicht mal die B. ist noch da, obwohl B. immer lange im Büro herum hängt, vielleicht hat sie keinen Lover, der auf sie wartet, vielleicht hat sie aber auch einen, der ebend nicht auf sie wartet, sondern mit über dem Bauch verschränkten Armen schon längst auf der Couch vor dem Fernseher eingeschlafen ist, Bier, Chips und Pokalhalbfinale. Schnarch. B. ist aber schon gegangen, klackklackklack, den langen Flur herunter und nun ist auch die Sonne weg und ich auch, mit gepackter Tasche.

Vorbei an der Bar "Sowieso". Kurz hinein gelugt, aber die Dings ist nicht da, die Tante hinterm Tresen, die so gerne das Bier verschüttet und auch sonst nicht viel her macht, intellektuell, körperlich natürlich schon. Mit der habe ich schon so manche Nacht verbracht, ohne wirklichen Gewinn, weder intellektuell noch körperlich, sie erzählte viel Unsinn, ließ mich aber nicht ran, bekam dafür trotzdem noch Trinkgeld, nun ja, ist auch egal. Heute ist sie nicht da, also gehe ich weiter, schreite durch den Frühling, zwischen aufblühenden Kastanien und grünen Büschen, die im Dunkel des Abends natürlich nicht mehr grün vor sich her grünen, sondern stumm und farblos Spalier stehen, meine Einsamkeit flankieren. Zigarette an.

Die Wohnung riecht nach Zuhause. Willkommen in der Irrenanstalt, Licht in der Küche an, im Kühlschrank der obligatorische Fraß der Einsamen, irgendwas mit irgendwas drauf, dann ran an den Bildschirm, Rotweinflasche, Discounterware, dazu und was über die Ausbeutung des Kassierpersonals in Billigstdiscountern lesen - moderne Sklavenanstalten - während der rote, staubtrockene Rotwein vom Magen ins Gehirn wandert und den Sinn entstellt. E. hatte nicht geschrieben, dafür den Anrufbeantworter benutzt, seit wann tat sie denn dieses, frage ich mich und überlege kurz, mich bei Stayfriends anzumelden, um die aserbaidschanische Schulfreundin M. wieder zu finden, die gut küssen konnte und auch sonst nicht zu verachten war. Das ist natürlich Blödsinn. Kürzlich sah ich M. die Straße lang stolzieren, stolze Prada-Russinnen imitierend, auch sie hatte Jura studiert und legte nun regelmäßig Mandanten flach. Wahrscheinlich alles Scheidungsangelegenheiten.

Vor dem Bett der kleine Koffer, gepackt und bereit, durch die Wartehallen sämtlicher Flughäfen der Welt gezogen zu werden, dazu das Laptop der Verdammnis, angefüllt mit Excelstaub und sonstigem Unsinn, vielleicht sollte ich die, die vorgibt, so etwas wie Liebe für mich zu empfinden, mal anrufen und so tun, als würde ich nur sie begehren, vielleicht doch lieber die E. anrufen und sie anschmachten oder mich vielleicht bei Stayfriends anmelden, um die M. zu finden oder auch andere, das Lob der Einsamkeit ist das Lob des großen Vielleicht, das Lob der leeren Betten, das Lob des unentschlossenen Herzens, das Lob des Abers, alles in allem: Blauer Dunst.

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