die innenseite von dem irren sein umkleideschränkchen
Freitag, 29. Februar 2008
Schienenfahrt 02
Schienenfahrt 01

Sie saßen in einer dunklen Ecke im hinteren Teil des Cafés. Sie sagte, sie wolle nicht gesehen werden und er schaute verlegen auf den Ring an ihrer Hand. Geht mir genauso, sagte er und ihnen beide wurde klar, worauf dies hier hinauslaufen könnte. Gefährlich. Er nahm ihre Hand, die belanglos auf dem Tisch lag, die Hand ohne Ring, er wollte sie in genau diesem Augenblick festhalten, ihr plötzlich nahe sein und die Hand war nur ein Anfang, das fühlten sie beide. Lange schauten sie sich in die Augen. Ihre waren hellgrün, ein starker Kontrast zu den roten Haaren und in seinem Magen fanden Erdbeben statt, Gefühle überrumpelten ihn, Gefühle, die er mal vor Jahren hatte und die er längst verloren und im grauen Alltag untergegangen geglaubt hatte.

Was ist das, fragte er sie und sie lachte nur, warf dabei den Kopf nach hinten und dann küssten sie sich quer über den Tisch, erst zaghaft, dann verlangend, alles nehmend, Grenzen durchbrechend und es sah so aus, als wollten sie sich gegenseitig verschlingen. Danach nur noch Stille, Blicke, tief ins Innere des anderen, er hielt immer noch ihre Hand und über allem schwebte die Frage: Was jetzt? Willst du das wirklich, fragte sie ihn, ich meine, du weißt was wir hier tun? Ja, antwortete er, wir verlieben uns, wenn wir das nicht schon vorher waren, schon seit langem und ich weiß auch, worauf das hinausläuft und es ist mir egal, verstehst du, es ist mir egal, weil es sich gerade gut anfühlt und weil du du bist und es für mich nichts anderes mehr geben wird. Er begann zu stottern. Überwältigt von den eigenen Gefühlen.

"Lass uns gehen."

Hand in Hand durch unbekannte Gegenden der Stadt, Gegenden, in denen sie niemand kannte, ungefährlich für heimliche Geliebte, niemand konnte sie erkennen, niemand konnte sehen, wie sie Hand in Hand durch die Straßen gingen, wie sie sich verliebt anschauten, wie sie stehen blieben, um einander zu küssen oder einfach nur in die Augen zu schauen oder sich zu berühren. Bin ich nicht zu alt für dich, fragte sie irgendwann mal und er lachte laut los und hielt sie fester, zog sie in einen Hauseingang und küsste sie und küsste sie und küsste sie, das war seine Antwort und später fragte er sie, wie sie darauf komme, auf diesen Scheiß, diese Idiotie der Altersunterschiede, dieses ungeschriebene Gesetz, dass es alten Säcken erlaubt, junge Frauen zu lieben, aber Frauen verbietet, sich in einen jüngeren Kerl zu verlieben und umgekehrt, er konnte nur darüber lachen.

Er liebte sie. Er liebte es, wenn sie nackt auf dem Bett lag und ihn anschaute, wenn er ihre weiße Haut berühren, wenn er sie küssen konnte, er liebte ihre langen roten Haare, liebte es, wie sie auf das Kopfkissen fielen, er liebte ihren Geruch, ihre Stimme, ihr Lachen, ihr leises Atmen, wenn sie neben ihm schlief, er liebte die Selbstverständlichkeit, mit der sie beide sich durch das Hotelzimmer bewegten, wie sie diesen Raum für sich entdeckten, ihr gemeinsames Revier absteckten, fest machten, er liebte es, wenn sie sich gegenseitig die Kleider herunterrissen, gierig, geil, willenlos, diese Momente, die bald die Spaziergänge ersetzten, fernab jeder Realität, eine zweite Wirklichkeit.

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Eine zweite Wirklichkeit...

... die umso mehr schmerzt, je weniger sie wahr sein darf in der ersten Wirklichkeit und für die man die erste Wirklichkeit verflucht... hasst...

... und dann irgendwann der Moment, in dem man nicht mehr weiß, was wirklich ist und was nur der eigene Wunsch, das eigene Sehnen...

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Der Text hat mich mitgerissen. Passiert selten.

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Danke.

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